2. Umsetzung modellhafter Maßnahmen zur Biodiversitätsstärkung

Um den Aktionsplan für den Artenschutz und die darin definierten Ziele bekannt zu machen, sollen ausgewählte Maßnahmen für den Artenschutz am Inn bereits innerhalb der Projektlaufzeit umgesetzt werden. Dabei haben wir uns für die Umsetzung von drei Maßnahmenpaketen im Verantwortungsbereich von drei unterschiedlichen Projektpartnern entschieden:

A. Verbesserung der Durchgängigkeit von Seitenbächen für Fisch und Biber

Umsetzung durch das Land Tirol in Kooperation mit dem Tiroler Fischereiverband

Die Gründe für das Verschwinden von Fischarten am Inn liegen hauptsächlich in der veränderten Hydromorphologie des Flusses: im Hauptstrom spülen künstliche Schwallwellen, die von flussaufwärts gelegenen Wasserkraftwerken verursacht werden, die kleinen Eier und Fischlarven weg. Der Zugang zu ruhigeren Seitengewässern, in die sich die Fische vor solchen Flutwellen und natürlichen Hochwässern flüchten können, ist aber häufig ebenfalls verbaut. Der Wiederanbindung von Seitengewässern des Inn kommt daher eine entscheidende Rolle in der Sicherung und Erholung der Fisch-Biodiversität zu, auch wenn sie die verheerenden Auswirkungen des Schwalls im Hauptfluss nicht gänzlich ausgleichen können.

A.1. Konfliktlösung Fisch-Biber

Der Biber zählt zu den EU-geschützten und grenzüberschreitend relevanten Arten am Inn, der mittlerweile vor allem in Tirol eine stabile Teilpopulation aufgebaut hat. Allerdings ist der günstige Erhaltungszustand in der alpinen biogeografischen Region Österreichs noch nicht erreicht. Teilweise besteht die Befürchtung, dass durch den zunehmenden Bau von Biberdämmen Barrieren für Wanderfischarten entstehen könnten – was immer wieder zu Diskussion rund um mögliche Zielkonflikte bei den Schutzinteressen für den Biber und jenen für die natürliche Fischfauna führt. Deshalb will INNsieme verschiedene ExpertInnen aus den drei Ländern zusammenbringen, um neue Lösungsansätze unter Berücksichtigung verschiedener Schutzinteressen und rechtlicher Rahmenbedingungen zu erarbeiten und an ausgewählten Standorten zu testen. Das dabei generierte Know-how kann auch auf weitere Seitengewässer mit Biberdämmen und gleichzeitiger Eignung als Laichgewässer für Fische angewandt werden.

Biber © Anton Vorauer

A.2. Wiederanbindung von Seitengewässern an den Inn

Einige der im Inn vorkommenden Fischarten suchen zum Laichen bevorzugt die strömungsärmeren und oftmals klaren Seitengewässer auf. Doch im Zuge von Hochwasserschutzmaßnahmen kam es in der Vergangenheit zur verstärkten Regulierung und Verbauung dieser Gewässer. Durch meterhohe Abstürze zwischen der Bach- und Innsohle wurden auf diese Weise viele Seitenflüsse für die Fische unpassierbar. Doch auch die Hauptflüsse sind in der Regel durch stark wechselnde Wasserstände (Schwall/Sunk) aus der Stromerzeugung belastet, weshalb Ausweichlebensräume für die Fische immer wichtiger werden. Aus diesem Grund soll im Rahmen von INNsieme die Anzahl zugänglicher und passierbarer Seitengewässer durch einen naturnahen Rückbau wieder erhöht werden.

Ein Beispiel dafür ist der Schlitterer Gießen, ein kleiner Zubringer der Zillertaler Ache, die wiederum wenige Kilometer unterhalb in den Inn mündet. Weil auch die Mündung des Schlitterer Gießen aktuell nicht für Fische zugänglich ist, soll diese durch entsprechende Baumaßnahmen im Rahmen des Projektes wieder passierbar gemacht und eine wiederkehrende Verlandung der Mündung vermieden werden. Durch eine naturnahe Sanierung bachaufwärts sollen zugleich auch ehemalige Laichplätze der Inn-Äsche wiederhergestellt werden, was der gefährdeten Äschenpopulation im Ziller und damit auch im Inn langfristig zu Gute kommt.

Schlitterer Gießen © Gebhard Tschavoll

B. Verbesserung der Lebensbedingungen für gefährdete Vögel, Insekten und Amphibien am Tiroler Inn

Umsetzung durch den WWF Österreich

B.1. Verbesserung der Lebensbedingungen für Kiesbankbewohner

Dynamische Kies- und Schotterbänke sind vor allem am oberen Inn ein charakteristisches Merkmal der Flusslandschaft und bilden wertvolle Lebensräume für selten gewordene Tier- und Pflanzenarten. Dazu zählen etwa Kiesbankgrashüpfer, Flussuferläufer, Flussregenpfeifer oder die Ufertamariske. All diese Arten sind zunehmend durch Lebensraumverluste gefährdet, weil Sand- und Schotterbänke am Inn immer seltener werden. Und auch auf den verbliebenen Kiesbänken nimmt die Störung durch erholungssuchende Menschen zu, wovon vor allem brütende Vögel auf oder um die Kiesflächen beeinträchtigt werden. Aus diesem Grund hat INNsieme ein „Citizen Science“-Unterrichtsprojekts initiiert, in dem Schüler*innen gemeinsam mit Expert*innen diskutieren, welche Maßnahmen den Störungsdruck auf die Kiesbänke wirksam verringern könnten und zugleich von der Bevölkerung akzeptiert und berücksichtigt werden. Dazu zählen Maßnahmen wie die Einrichtung von temporären Ruhezonen oder eine aktive Lenkung von Besucher*innen. Die daraus resultierenden Ideen der Schüler*innen werden von ihnen gemeinsam mit relevanten Entscheidungsträger*innen an geeigneten Standorten abgestimmt und umgesetzt.

B.2. Vegetationsrenaturierung in ufernahen Bereichen

Selbst in den bereits bestehenden Au-Schutzgebieten am Inn kommt es immer wieder vor, dass die natürliche Vegetation negativ beeinträchtigt wird. Denn dort wurden an vielen Stellen im Laufe des 20. Jahrhunderts nicht-standortgerechte Gehölze – insbesondere Fichtenbestände – angepflanzt, die natürlicher Weise nicht an diesen Standorten vorkommen und das Ökosystem stören können. Diese Fichten gelten in Lagen unter 800 m als besonders krankheitsanfällig, was sich durch den Klimawandel noch zusätzlich verstärken wird. Aus diesem Grund werden die Fichten und ähnliche standortfremde Baumarten systematisch aus den Auengebieten entfernt. Im Gegenzug werden entlang des gesamten Tiroler Inn im Rahmen von INNsieme gezielt typische Auen-Gehölze – wie Salweide, Purpurweide, Zitterpappel oder Heckenkirsche – gepflanzt. Sie dienen selten gewordenen Schmetterlingsarten, wie dem Schillerfalter oder dem Weidenkarmin, als wichtige Futterquellen. Die Pflanzungen werden in Zusammenarbeit mit lokalen Volks- und Mittelschulklassen durchgeführt.

© mho

B.3. Bekämpfung nicht-heimischer Arten in Auengewässern

Ein weiteres zentrales Problem am Inn ergibt sich durch nicht-heimische Tier- (Neozoa) und Pflanzenarten (Neophyta), die vom Menschen bewusst oder unbewusst in das Ökosystem eingebracht werden. Denn wenn sich diese gebiets-untypischen Arten übermäßig vermehren, können sie eine Gefahr für die ursprüngliche Fauna und Flora darstellen. Am Tiroler Inn betrifft das vor allem Gold- und andere Raubfische, aber auch Schildkröten, die als Fressfeinde die heimische Fisch- und Amphibienfauna massiv bedrohen. Trotz der Bemühungen von Schutzgebietsbetreuer*innen, diese nicht-heimischen Arten regelmäßig einzufangen, scheitert eine wirksame Bekämpfung bislang daran, dass immer wieder neue Tiere ausgesetzt werden. Eine nachhaltige Eindämmung nicht-heimischer Arten am Inn hängt daher wesentlich von einer Bewusstseinsänderung der Tierhalter*innen ab. Aus diesem Grund sollen Schulklassen im Rahmen von INNsieme geeignete Maßnahmen zur Sensibilisierung definieren und diese nach Möglichkeit auch eigenständig umsetzen. Neben Hinweisschildern an Standorten, an denen regelmäßig Tiere ausgesetzt werden, sind auch Informationskampagnen für Mitarbeiter*innen und Kund*innen von Zoohandlungen geplant.

Goldfische im Inn © Anton Vorauer

C. Renaturierungen und Naturerlebnis am Bayrischen Inn

C.1. Uferrückbau Unterer Inn

Umsetzung durch die Innwerk AG

Steile Abbruchufer stellen insbesondere für Höhlenbrüter, wie dem Eisvogel oder der Uferschwalbe, wertvolle Habitate dar. Sedimentbänke wiederum bieten neue Standorte für Pioniergewächse, während flache Kiesbänke wichtige Jungfischlebensräume, Laichplätze und Habitate für Kiesbrüter bilden. Tatsächlich ist der Untere Inn heute aber gerade in den Staubereichen von steilen Uferverbauungen gekennzeichnet, die mit den natürlichen Lebensräumen vieler flusslebender Arten nichts mehr zu tun haben. Deshalb setzt sich INNsieme dafür ein, dass durch Uferrückbau und die Aufschüttung von Uferstrukturen wieder mehr flache und strukturierte Uferzonen am Inn entstehen können. Konkret ist dafür ein Uferrückbau unterhalb der Stadt Braunau geplant, bei dem sich einerseits steile Kiesufer und überhängende Abbruchufer bilden können, andererseits aber auch neue Kiesbänke zu erwarten sind. Dafür werden die bestehenden Wasserbausteine abgetragen und das neue Ufer so gestaltet, dass ein flacher Ufergradient im Bereich des Wasseranschlages entsteht. Auf diese Weise können sich kleine Buchten bilden, die in einer Kombination mit neu angelegten Totholz-Strukturen am Flachufer wertvolle Jungfischhabitate darstellen.

C.2. Summende Inndämme

Umsetzung durch die Österreichische-Bayerische Kraftwerke AG und die INnwerk AG

Für wärmeliebende Insektenarten wie Tagfalter, Heuschrecken und Wildbienen stellen die artenreichen Wiesenlebensräume der Hochwasserdämme wertvolle Habitate und Vernetzungsstrukturen dar. Denn weil diese in der Regel nicht landwirtschaftlich genutzt werden, können sich hier artenreiche Pflanzengesellschaften entwickeln, wodurch diese neben Naturschutzgebieten auch aufgrund des dort vorherrschenden Mikroklimas die wichtigsten Rückzugsgebiete für Wildbienen bilden. Gerade diesen kommt als Hauptbestäuber einer Vielzahl von Wild- und Kulturpflanzen eine hohe ökologische Bedeutung zu, weshalb sie stets auf eine artenreiche Vegetation angewiesen sind – und umgekehrt. Aufgrund ihrer Bedeutung für den Naturhaushalt gelten sämtliche Wildbienen-Arten als besonders geschützt. Dafür ist die Verfügbarkeit ausreichender Lebensräume, die ihren spezifischen Anforderungen gerecht werden, von entscheidender Bedeutung, wobei sich auch Hochwasserdämme als besonders geeignete Habitate für die Wildbienen bewährt haben. Allein am Unteren Inn konnten an den vorhandenen Dämmen bis zu 36 Wildbienenarten nachgewiesen werden.

Um sie zu schützen und langfristig geeignete Lebensraumbedingungen zu garantieren, soll die Insektenvielfalt in Bereichen mit großer Öffentlichkeit entlang der Dämme als Thema gesetzt und auf anschauliche Weise vermittelt werden. Im Rahmen von INNsieme sind dafür im Bäder- und Kurgebiet Bad Füssing entlang der hoch frequentierten Hochwasserdämme Klapp- und Drehtafeln geplant, um Radfahrer*innen und Spaziergänger*innen über die Besonderheiten der Wildbienen und ihre speziellen Lebensraumanforderungen zu informieren. Die Informationsstationen sollen mit Hilfe einer Web-App für Smartphones als virtueller Lehrpfad verbunden werden, wodurch sich zusätzliche Informationen zur Artenvielfalt aufrufen lassen. Auf diese Weise tragen die Nutzer*innen automatisch dazu bei, laufende Veränderungen der Pflegefläche zu dokumentieren.

© Anton Vorauer

C.3. Renaturierung und Naturerlebnis am Inn in Neuötting

Umsetzung durch die Verbund Innkraftwerke GmbH

Nahe dem bayerischen Kraftwerk Neuötting wurde ein Umgehungsgerinne geschaffen, das die biologische Durchgängigkeit des Flusses sicherstellen soll. Nun hat die Gemeinde Neuötting am Mörnbach, einem Seitengewässer des Inn, ein Grundstück zur Gestaltung zur Verfügung gestellt, das an beliebte Naherholungswege angrenzt. Dort soll bald ein Naturerlebnis direkt an dem Umgehungsgerinne mit angeschlossenem Seitenarm ermöglicht werden. Zusätzlich sollen die bestehenden anschließenden Gewässerabschnitte außerhalb des Umgehungsgerinnes strukturiert und landwirtschaftliche Flächen komplett renaturiert werden. Im Rahmen von INNsieme ist dafür vorgesehen, flache Teiche als Lebensraum für Amphibien, sowie feuchte Wiesen und auenähnliche Strukturen herzustellen. Auf diese Weise würde im Laufe der Zeit am linken Ufer ein Bereich mit hoher Naherholungsfunktion entstehen, während die rechten Uferflächen ausschließlich der Natur dienen. Direkt vor Ort sollen Schau- und Infotafeln über die heimischen Fischarten des Inn, die Lebensgemeinschaften an Gewässern und die damit verbundenen Renaturierungsziele informieren. Auf diese Weise können auch die Flächen unterhalb der Mündung des Triebwerkskanales in die Renaturierung miteinbezogen und naturschutzfachlich erheblich aufgewertet werden.

Unsere weiteren Maßnahmen: