Maßnahmen INNsieme connect

Zur Erreichung der Projektziele von INNsieme connect werden bis 2026 in den Bereichen Artenschutz, Wiederherstellung ökologischer Netzwerke und Kommunikation umfassende Maßnahmen verwirklicht.

1. Artenschutzmaßnahmen

Im Rahmen von INNsieme connect wollen wir regionstypische, gefährdete Arten fördern und so den Inn als Lebensader für Mensch und Natur stärken. Für folgende fünf Artengruppen werden Schutzmaßnahmen umgesetzt:

1.1. Fische

Fische sind sensible, wanderfreudige Tiere, die für verschiedene Lebensstadien unterschiedliche Flussbereiche aufsuchen. Entsprechend stark werden sie durch Verbauungen und hydrologische Veränderungen beeinträchtigt. Durch den Betrieb von Speicherkraftwerken entstehen starke Wasserstandsschwankungen am Inn, der sogenannte Schwall und Sunk. Dabei sterben jährlich tausende Jungfische, Fischlarven und gefährdete Fischarten, weil sie beim abrupten Rückgang des Wassers am Ufer stranden. Vom einst reichhaltigen Fischbestand des Inns kommen heute nur noch wenige Arten in nennenswerten Stückzahlen vor. Vor allem strömungsliebende Fische wie etwa der Huchen, der nur an der Donau und ihren Nebenflüssen vorkommt, sind selten geworden.

Im Rahmen von INNsieme connect rücken wir die schillernde Äsche und zwei weitere selten gewordene Fische in den Fokus: Die Nase mit ihrer unverkennbaren stumpfen Nase, und den Huchen, ein wanderndes Schwergewicht mit bis zu 25 Kilogramm Körpergewicht.

Laichplatz- und Jungfischkartierung

Besonders wichtig für das Überleben unserer Zielarten ist das Vorhandensein geeigneter Laichplätze und strömungsberuhigter Bereiche, in denen sich Jungfische aufhalten können. Diese sind heutzutage aufgrund von Verbauungen im Hauptstrom des Inns weitestgehend verschwunden und sind am häufigsten noch in Zubringerflüssen oder in renaturierten Bereichen zu finden.

Um mehr über die Zahl und die räumliche Verbreitung solch wichtiger Lebensräume herauszufinden, werden im Rahmen von INNsieme connect gezielte Erhebungen entlang des Inns gemacht. Diese Kartierungen werden von wissenschaftlichen Untersuchungen der Technischen Universität München begleitet. Damit können sensible Gewässerstrecken identifiziert und Fischpopulationen besser geschützt werden. Zudem lernen wir dadurch die Wirkungen von Renaturierungen besser zu verstehen, was die Planung zukünftiger Renaturierungen maßgeblich unterstützt.

1.2. Vögel

Natürliches Element eines Wildflusses sind Kies- und Schotterbänke, die regelmäßig durch die Wassermassen umgelagert werden, verschwinden und neu entstehen. Diese Dynamik setzt jedoch Platz voraus, der im Inntal Mangelware ist. So fließt der Inn heutzutage großteils in einem begradigten, engen Flussbett und die früher typischen Kiesbänke sind selten geworden.

Dabei sind genau diese Kiesbänke ein unverzichtbarer Lebensraum für spezialisierte, geschützte Arten. Vögel wie der Flussuferläufer oder der Flussregenpfeifer brüten Ihre Eier direkt auf den Kies- und Schotterbänken von Wildflüssen aus. Mit dem Verschwinden der Kiesbänke sind auch die Bestände dieser geschützten Vogelarten drastisch zurückgegangen. Zusätzlich müssen sich die Tiere die letzten verbleibenden Kiesbänke oft mit einer steigenden Anzahl an Erholungssuchenden teilen. Wenn Menschen genau zur Brutzeit die Kiesbank betreten, kann das dazu führen, dass die Vögel die Brut aufgeben oder dass die perfekt getarnten Eier auf der Kiesbank sogar zertreten werden.

Vogelkartierung und Besucherlenkung

Um herauszufinden, wo Flussuferläufer und Flussregenpfeifer brüten, werden umfassende Erhebungen am Tiroler Inn durchgeführt. Dabei werden auch Daten zu den Lebensraumansprüchen der beiden Vogelarten gesammelt und beobachtet, welche Faktoren besonders störend für sie sind.

Um Erholungssuchende zu sensibilisieren und für eine störungsfreie Brut zu sorgen werden Hinweistafeln aufgestellt. Diese werden während der Brutzeit (von April bis Juli) an potentiellen Brutplätzen von Flussuferläufer und Flussregenpfeifer entlang des gesamten Tiroler Inns sensible Bereiche kennzeichnen.

1.3. Pionierpflanzen

Nicht nur Tiere, auch viele Pflanzenarten haben sich über die Jahrtausende auf Wildflüsse spezialisiert. Die Deutsche Tamariske etwa ist Meisterin der Eroberung – Eroberung neuer Flusslebensräume, die nach Hochwassern geschaffen werden. Aus nur einem kleinen Zweig kann auf kargem Boden eine neue Pflanze wachsen. Sie wird deshalb auch als Pionierpflanze bezeichnet, die quasi die Pionierarbeit der Erstbesiedlung leistet.

Da die Deutsche Tamariske nur dort vorkommt, wo Flüsse noch ausreichend frei fließen können, ist sie zudem eine Zeigerart: ihr Zustand steht stellvertretend für den ökologischen Zustand der Flüsse. Und da sieht es in Österreich nicht gut aus: Die Deutsche Tamariske ist vom Aussterben bedroht, Tendenz verschlechternd. In Tirol gibt es noch Bestände, vor allem an den Flüssen Lech und Isel, aber auch an Inn und Ötztaler Ache finden sich noch wertvolle Populationen.

Ähnlich steht es um den Zwergrohrkolben, der am Inn bereits als ausgestorben galt und nur durch erfolgreiche Wiederansiedlungsprojekte inzwischen wieder vereinzelt in den ruhigeren Randbereichen und an den Seitengewässern des Inns vorkommt. Hier wurden bereits im Rahmen des Vorgängerprojekts INNsieme Wiederansiedlungen durchgeführt. Diese werden im Rahmen von INNsieme connect fortgesetzt. Zudem werden die Bestände der Zwergrohrkolben und der Deutschen Tamariske im Flussystem Inn einem intensiven Monitoring unterzogen.

Durch unsere Artenschutzmaßnahmen im Bereich der Pionierpflanzen trägt INNsieme connect Sorge, dass das Wissen um gefährdete Arten verbessert und direkt zum Schutz und Erhalt dieser Arten genutzt wird.

1.4 Heuschrecken

Die Wildfluss-Heuschrecken haben unter den starken Regulierungen und Verbauungen der letzten Jahrhunderte besonders stark gelitten, ihr Lebensraum wurde massiv zerstört, wodurch ihre Bestände vollkommen eingebrochen sind. Neben den heute bedeutendsten Tiroler Vorkommen am Lech und im Karwendel gab es auch am Tiroler Inn noch im 20. Jahrhundert mindestens 10 Gewässerabschnitte mit Vorkommen dieser Heuschreckenarten, plus Vorkommen am Inn-Zubringer Ötztaler Ache. Allerdings sind alle bekannten Vorkommen am Tiroler Inn noch vor 1980 erloschen. An der Ötztaler Ache bestehen die meisten zwar noch bis heute, doch auch deren Verbreitungsgebiet wird durch Kraftwerksprojekte zunehmend gefährdet. Um die Wildfluss-Heuschrecken bestmöglich zu schützen, wird eine gezielte Nachsuche von potentiellen Restpopulationen organisiert. Zu diesem Zweck werden auch öffentliche Kurse und Exkursionen veranstaltet, bei denen Interessierte die Bestimmung von Heuschrecken erlernen werden und bei der Erhebung der Daten mitwirken. So wird ein Netzwerk an informierten und engagierten Menschen am Inn gebildet. Die im Rahmen der Erhebungen gesammelten Informationen dienen weiters dazu – wo möglich und notwendig – eine Wiederansiedlung der Heuschrecken in geeigneten renaturierten Bereichen anzustreben.

Vier Heuschreckenarten nehmen wir im Rahmen von INNsieme connect besonders unter die Lupe:

  • Gefleckte Schnarrschrecke (Bryodemella tuberculata)
  • Türks-Dornschrecke (Tetrix tuerki)
  • Kiesbankgrashüpfer (Corthippus pullus)
  • Fluss-Strandschrecke (Epacromius tergestinus)

1.5 Amphibien

Als typische Bewohner der Auengewässer gehören Amphibien zu jenen Arten, die von der Zurückdrängung der Auen besonders betroffen sind. Zudem geraten die sensiblen Tiere zunehmend durch invasive Arten in Bedrängnis. Durch das Aussetzen gebietsfremder Arten, wie etwa Goldfische, kann großer Schaden an der heimischen Natur angerichtet werden.

Im Rahmen von INNsieme connect sollen umfassende Erhebungen den Ist-Zustand der Amphibien im Einzugsgebiet des Inns ermitteln. Darauf aufbauend werden Schutz- und Revitalisierungsmaßnahmen für zwei Arten im Speziellen entwickelt: Die Gelbbauchunke und die Wechselkröte. Die entwickelten Maßnahmen werden im Folgenden mit Behörden, Gemeinden und Grundbesitzer*innen besprochen und umgesetzt.

Im Rahmen von INNsieme connect werden so die Lebensbedingungen für ausgewählte Zielarten gezielt verbessert. Davon profitieren nicht nur die einzelnen Arten, sondern der gesamte Lebensraum, da eine höhere Biodiversität eine gesündere und resilientere Umwelt für Mensch und Natur bedeutet.

Flussuferläufer am Inn © Calvin Frees

2. Wiederherstellung ökologischer Netzwerke

2.1. Geschiebemanagement Kraftwerke

In neun sogenannten Erhaltungsstrecken des Kraftwerksbetreibers VERBUND werden Konzepte für ein optimiertes Geschiebemanagement erstellt und umgesetzt.

Dies ist wichtig, weil das Geschiebe, also die mittransportierten Steine und Kiesel, wesentlich ist für die Ausbildung natürlicher Flusslebensräume. Durch den Rückhalt des Geschiebes an Wehren wird diese natürliche Flussdynamik unterbunden. Ohne ausreichenden Nachschub an Geschiebe würde sich der Fluss immer tiefer in den Untergrund graben.

Durch die Optimierung des Geschiebemanagements im Rahmen von INNsieme connect wird den Interessen der Energiewirtschaft und des Naturschutzes gleichermaßen Rechnung getragen.

2.2. Bewertung der Funktionalität von Kieslebensräumen

Kieslebensräume sind durchströmte Bereiche in der Flussohle zwischen den Steinen. Geschützt vor der Strömung des Flusses und etwaigen Räubern ist dies ein dicht von Insekten, Würmern und allerlei kleiner Arten besiedelter Lebensraum. Für Jungfische sind die Kieslebensräume überlebenswichtig da sie hier Nahrung und Schutz finden. Wenn diese Porenräume „verstopfen“, etwa durch erhöhten Feinsedimenteintrag aus der Landwirtschaft oder durch Stauraumspülungen von Kraftwerken bei denen sehr viel Feinsediment freigesetzt wird, gehen wichtige Laichplätze und Lebensräume für Jungfische und viele Arten verloren.

Ein Team vom Lehrstuhl für Aquatische Systembiologie der Technischen Universität München untersucht im Rahmen von INNsieme connect die Funktionalität von renaturierten Kieslebensräumen am Inn. Dabei wird untersucht wie gut Kieslebensräume in Bereichen mit verschiedenen Nutzungen ihre Funktion als Habitat für Jungfische erfüllen. Daraus wird ein Leitfaden entwickelt, welcher Handlungsempfehlungen zur Verbesserung und Neuschaffung von solchen Lebensräumen für verschiedene Lebensstadien der Inn-Fische enthält.

2.3. Geschiebe-Habitat Modell

Um den ökologischen Mindestanforderungen ausgewählter Zielarten Rechnung zu tragen soll ein Modell entwickelt werden, das Auskunft darüber gibt welche Maßnahmen zum Geschiebemanagement notwendig sind um die Eignung als Lebensraum zu gewährleisten.

Die Erkenntnisse aus der Modellierung werden in einen anwendungsorientierten Leitfaden zur Optimierung von Renaturierungen einfließen.

2.4. Renaturierungen

Im Zuge von INNsieme connect werden drei Renaturierungsprojekte geplant. Dies geschieht im Rahmen eines partizipativen Planungsprozesses bei welchem die Öffentlichkeit aktiv mit eingebunden wird. So sollen Seitengewässer wiederangebunden und die Durchgängigkeit des Flussnetzwerks verbessert werden. Weiterhin sollen Kieslaichplätze und Jungfischhabitate neu geschaffen oder renaturiert werden.

© Ingo Zahlheimer

3. Umweltbildung und Öffentlichkeitsarbeit

Im Rahmen von INNsieme connect findet umfassende Umweltbildung und Öffentlichkeitsarbeit statt. So wird ein Netzwerk an interessierten Menschen geschaffen, das sich langfristig für den Naturlebensraum Inn einsetzt und an Erhaltungsmaßnahmen mitwirkt.

3.1. Veranstaltungen und Öffentlichkeitsarbeit

In mehreren Formaten findet ein Austausch zum Inn sowie ein Erleben der Naturlebensräume am Inn statt:

  • INN Dialog: transdisziplinäre Diskussionsveranstaltung zu Arten- und Lebensraumschutz am Inn
  • Flusserlebnistag: Stationen direkt am Inn zum Erleben des Naturlebensraums Inn für Groß und Klein
  • Inn Aktionstag: internationaler Tag zur Aktion für den Inn für die interessierte Bevölkerung

Zudem wird über die Website, über verschiedene Social Media-Plattformen, Pressarbeit und weitere Kanäle die Öffentlichkeit fortwährend zum Projekt am Laufenden gehalten und aktiv zur Teilnahme an Veranstaltungen motiviert.

3.2. Umweltbildung

Die INNsieme connect Projektpartner Natopia in Tirol und Naturium am Inn in Bayern setzen umfassende Umweltbildungsmaßnahmen um. Dazu zählen neben der Organisation der Flusserlebnistage auch:

  • 60 Schulstunden zur Bewusstseinsbildung für den Inn in Tirol und Bayern
  • Die Ausbildung sogenannter Inn-Guides als Weiterbildungsmaßnahme für Naturvermittler*innen
  • Forschendes Lernen durch Betreuung von drei Schulprojekten in Deutschland, Österreich und der Schweiz zum Thema Inn
  • Gestaltung einer Broschüre „Steine am Inn“ über die Geologie im Einzugsgebiet des Inns
Kinder am Inn © Anton Vorauer